Dienstag, 20. Juli 2010

Journalisten und Primärquellen - Managergehälter

Ich dachte ja, dass zumindest die Journalisten die wichtigsten Primärquellen als Bookmarks gespeichert haben. Statistisches Bundesamt, Gesundheitsministerium, Bundesanzeiger und so weiter.
Haben sie nicht. Beispiel gefällig?
Die Thüringische Landeszeitung informiert uns heute über die Managergehälter - als Quelle wird ein Artikel im Focus angegeben.
Die BILD zieht mit und ruft: „Das verdienen unsere Manager” Dort wird losgelegt mit dem Satz: „Eine neue Umfrage macht deutlich...”
Der Witz bei der ganzen Sache ist: diese Daten sind frei im Internet verfügbar, auf der Seite verguetungsregister.de vom Bundesanzeiger. Also muss man nicht den Focus bemühen, um die Vorstandsgehälter der börsennotierten Unternehmen herauszufinden. Und erst recht muss man keine nicht existente Umfrage erfinden, welche den Artikel noch dazu unfreiwillig komisch macht. Wie stellt die BILD sich das vor? Klingelt ein Reporter der Reihe nach bei Linde, Cordes und Winterkorn um sie dann zu fragen: „Entschuldigung, eine Frage, was verdienen sie so im Jahr? Bitte ehrlich sein!”?

Auch das manager magazin brüstete sich unlängst damit, die Gehälter knallhart analysiert zu haben. Wenn es um den Springer-Chef Döpfner geht werden wieder Wieselwörter bemüht: „Auf etwas mehr als elf Millionen Euro schätzen renommierte Gehaltsexperten Döpfners Gehalt.”. Renommierte Gehaltsexperten, soso. Zwar mogelt sich Springer im Vergütungsregister um genaue Angaben herum (es wird nur ein Gesamtgehalt für den Vorstand angegeben), aber Experten braucht es dazu wahrlich nicht. Der Vorstand, bestehend aus vier Leuten inklusive Döpfner, bezog ein Gehalt von 17,7 Millionen Euro im Jahr 2009. Da Döpfner der Kopf des Quartett Infernale ist, sagt einem der gesunde Menschenverstand wie sein Gehalt etwa aussehen mag. Irgendwas zwischen 10 und 12 Millionen, aber auf jeden Fall zuviel.
Also, Journalisten, Bürger und Politiker: nutzt endlich mal die verdammten Primärquellen! Einerseits ist es interessant, andererseits muss man sich dann die Artikel der Lohnschreiberlinge nicht als "exklusiv" oder als "Umfrage" verkaufen lassen.

Als besonderes Schmankerl noch ein kleiner Auszug aus dem Vergütungsbericht von VW:
Die Bezüge des Vorstands setzen sich aus fixen und variablen Bestandteilen zusammen. Durch die fixen Bestandteile ist einerseits eine Grundvergütung gewährleistet, die es dem einzelnen Vorstandsmitglied gestattet, seine Amtsführung an den wohlverstandenen Interessen des Unternehmens und den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns auszurichten, ohne dabei in Abhängigkeit von lediglich kurzfristigen Erfolgszielen zu geraten.

Also sollen die fixen Bestandteile sicherstellen, dass die Verantwortlichen auch mal an den langfristigen Erfolg des Unternehmens denken. Im Fall von Martin Winterkorn sind das ganze 1,7 von 6.6 Millionen Euro. Na, wenn das kein Anreiz ist!

10 Kommentare:

  1. Was erwartest du? Es gibt fuer die oeffentlich-rechtlichen die GEZ und fuer Zeitungen bald das Leistungsschutzgesetz.
    Da braucht man keine ordentliche Recherche, wenn einem das Geld ohne Gegenleistung (bzw. eine Leistung, bei der es nur auf Textlaenge ankommt) in den Hintern geblasen wird.

    AntwortenLöschen
  2. Ein Detail nur: Der Artikel wurde in der TLZ veröffentlicht und nicht in der TA.

    AntwortenLöschen
  3. @Anonym, 11:31

    Vielen Dank für den Hinweis, werde es korrigieren.

    AntwortenLöschen
  4. Die Zeile "Also, Journalisten, Bürger und Politiker: nutzt endlich mal die verdammten Primärquellen!" bitte noch um Blogger erweitern. Die benutzen aehnlich selten Primaerquellen , mischen Halbwissen und Meinungen und verkaufen es oft als Recherchearbeit.
    Danke

    AntwortenLöschen
  5. ...wie man auch an diesem Blogeintrag sehen kann. Da behauptet der Blogger ein Artikel sei in der TA veroeffentlicht worden und muss darauf hingeweiesen werden,dass er schlampig gearbeitet hat.. Es war naemlich die TLZ. Peinlich, peinlich.

    AntwortenLöschen
  6. @11:39
    Das ist richtig, allerdings sollten die Blogger mMn in "Bürger" schon enthalten sein. Meistens sind es ja Hobbyblogger.

    @11:41
    Wie mans nimmt. Ein dummer Fehler, ja. Aber wenn jemand ähnlich klingende Lokalzeitungen verwechselt, wie neulich auch Stefan Niggemeier, finde ich das im allgemeinen wenig dramatisch, solange es korrigiert wird.

    AntwortenLöschen
  7. Dann aber bitte die Änderung/Korrektur im Text (zB durch Durchstreichen) transparent machen...

    AntwortenLöschen
  8. Sehr geehrter Herr Michels,

    danke für Ihren Beitrag. Sie haben mit Ihrer Feststellung und der daraus sich ableitenden Forderung nicht mehr als recht.

    Die Diskussion über die Ursachen dieser üblich gewordenen Kreisdrehrecherche und mögliche Auswege aus ihr wäre dann aber mal was.

    beste grüße

    AntwortenLöschen
  9. Aha, der "gesunde Menschenverstand" sagt einem, was ein Vorstandschef verdient. Wäre mir zu wenig. Und wenn man sich in Sachen Managervergütung mal in Primärquellen (Bilanzen - da steht alles drin) und Sekundärquellen (Artikel in Welt, FTD, FAZ, Süddeutsche) umtut, dann bekommt man auch mit, dass börsennotierte Unternehmen zwar Vorstandsgehälter offen legen, aber eben nicht sämtlich individualisiert. Und man könnte erfahren, dass die flexible Vergütung vom Unternehmenserfolg abhängt. Wer Mist baut, kriegt weniger. Funktioniert nicht immer, im Prinzip aber schon.

    AntwortenLöschen
  10. @Andreas Bachmann:

    Die Diskussion wird, meinem Empfinden nach, auch ab und an tatsächlich geführt. Anscheinend sind die Ergebnisse aber nicht besonders. Hier ging es mir auch darum aufzuzeigen, dass jeder bei vielen Dingen selbst Informationen aus erster Hand bekommen kann.

    @Anonym, 9:33:
    Vollkommen richtig. Ich habe jetzt nicht jedes der dort gefürten Unternehmen angesehen, aber der Großteil schien mir doch individuelle Vergütungen verzeichnet zu haben.

    AntwortenLöschen