Mittwoch, 14. Juli 2010

Die Bahn zeigt sich spendabel

Nachdem nun ein Fall, in dem die Klimaanlage eines Zuges nicht funktionstüchtig war, durch zahlreiche Personenschäden bekannt geworden ist (nachuzlesen etwa hier im wdr-Panorama), gibt es jetzt eine Entschädigung.
Wer wegen der Hitze gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten habe und ärztlich versorgt werden musste, soll als Wiedergutmachung Reisegutscheine in Höhe von 150 Prozent des ursprünglichen Fahrpreises erhalten, teilte die Bahn in Berlin mit.

So klingelt es durch alle Internetmedien. Nun fallen mir spontan ein paar Dinge daran auf: erst einmal das Wort „soll”. Das klingt unverbindlich und ganz und gar nicht nach einem Versprechen. Aber das mag auch einfach an einer unglücklichen Fomulierung der Journalisten liegen. Dann lies mich die Art der „Wiedergutmachung” stutzen: ein Reisegutschein für das gleiche Transportmittel, welches jenen Personen einen albtraumhaftes Erlebnis und körperliche Schäden beschert hat. Na, herzlichen Dank.

Letztendlich schlägt der Betrag dem Fass die Krone aus: 150% des Fahrpreises. Wenn man früh genug bucht, dann bekommt man ein ICE-Ticket etwa von Berlin nach Bielefeld für 49 Euro. Das ergibt einen Reisegutschein von armseligen 73,50 Euro. Eine tolle Entschädigung etwa für die „zahlreichen Schüler von zwei Schulen in Nordrhein-Westfalen [die] dehydriert ins Krankenhaus kamen” (spiegel.de). Und selbst dafür muss der Betroffene erst einmal nachweisen, dass er ärztlich behandelt wurde. Das wird bei denen, die lediglich erste Hilfe erhalten haben, wohl kaum möglich sein.

Und kein kritisches Wort dazu von den Qualitätsjournalisten: Spiegel Online palavert lieber mehrere Absätze lang über die Technik von Klimaanlagen und kommt zu dem überraschenden Schluss, dass die Bahn ein „Wartungsproblem” habe. Die Süddeutsche fasst sich kurz und motiviert die Opfer lieber, die sog. Wiedergutmachung anzufordern („[...] unter der E-Mail hitzewelle@deutschebahn.com, per Telefon oder per Post”).
RP Online macht immerhin leichte Andeutungen, die Form der Entschädigung als Reisegutschein zu bemängeln. Aber auch nur im Konjunktiv: „Politik fordert einheitliches Entschädigungssystem” heißt es dort.

Diesbezüglich eine sehr ermüdende Presselandschaft. Liebe Journalisten: nicht immer nur abschreiben, auch mal ruhig etwas Interessantes, Wahres, Richtiges schreiben! Wenn das Verhalten der Bahn eine Frechheit ist, dann darf man das auch so nennen. Hört bitte aus damit, dieses Trauerspiel noch schlimmer zu machen, indem ihr ständig wiederholt, das das Ganze reine Nettigkeit sei und die Betroffenen eigentlich kein Recht darauf hätten. Denn das ist falsch. Wenn ich in einem ICE eingeschlossen vor mich hin dehydriere und im Krankenhaus lande, dann habe ich selbstverständlich ein Recht auf Schmerzensgeld. Darauf hat auch der Focus hingewiesen.
Sieht ja danach aus, als hätte die Bahn das schon vorher gewusst. Das wäre dann vorsätzliche Körperverletzung durch Unterlassen. Die Annahme des lächerlichen Reisegutscheines wäre dann allerdings eine außergerichtliche Einigung, dann gibt's keine Schadensersatzansprüche. Na hoppla!

Mein Gott, Onlinezeitungen, dann schreibt's zur Not anonym, wenn ihr Angst vor einem Verlust der Bahncard 100 habt.


Further Reading: Der Fachjournalist Freidhelm Weidelich kommentiert das Entschuldigungsschreiben (oder zumindest das, was ein Entschuldigungsschreiben sein soll) der Bahn.

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