Donnerstag, 15. Juli 2010

Zukunft und Chancen für Blogs

Worin unterscheiden sich die großen Blogs von den Onlineablegern der Zeitungen? In ziemlich allem, könnte man sagen. Sie haben scheinbar völlig verschiedene Zielsetzungen: die klassischen Medien wollen informieren (eigentlich Auflage machen, aber betrachten wir das mal für einen Moment etwas romantischer). Sie suchen aus dem schier unüberschaubaren Haufen an Neuigkeiten die relevanten von ihnen heraus und berichten mehr oder weniger ausführlich darüber. Die großen Blogs auf der anderen Seite sind tendenziell stärker meinungsgefärbt. Sie informieren zwar auch, doch die Selektion der Themen fällt viel strenger aus und ist meistens auf ein bestimmtes Themenfeld zugeschnitten.
Manchmal aber verschmimmen die Grenzen zwischen den Großen und den Kleinen. Wie auch im Fall Horst Köhler, wo die klassischen Medien erst nach den Blogs die Brisanz seiner Aussagen im Deutschlandfunk erkannt haben. Zu diesem Phänomen sagt Florian Schwinn in dem hr2-Beitrag „Die Leitmedien der Zukunft”:
Aber die Tagesordnung bestimmte dennoch die Internetgemeinde. Damit übernahmen sie zum wiederholten Mal das Agenda-Setting, die Macht über die Themenwahl. Das ist eigentlich die Domäne der klassischen Medien.

Trotzdem sollte man die Bedeutung der Blogs nicht überschätzen. Das sie oftmals noch im halbdunkeln des dröhnenden Internets stehen, mag auch an der Machart liegen: sie beschränken sich oftmals darauf, die klassischen Medien entweder zu kommentieren oder ihnen nachzueifern, ungeachtet dessen, das diese häufig selbst ein schlechtes Beispiel sind. Der Medienprofessor Horst Müller steht wohl nicht allein da, wenn er von einer „Boulevardisierung der Medien” spricht. Es könne, so Müller, heute nur ein Thema in die Medien gelangen wenn es stark verkürzt und auf einen leicht zu transportierenden Aspekt zugespitzt sei. Häufig sei dieser Aspekt eine Person, denn das funktioniere am besten. Und damit ist nicht nur BILD gemeint. Nein, die Leitmedien machen es vor und die Blogger ahmen es nach. Das mag eventuell auch an einer unbewussten Ahnung bezüglich des Internetkonsums der Leser sein: im Web ist alles schneller. Wer im Büro zwischendurch die Lieblingsseiten überfliegt, der rechnet nicht mit einem Text der den Umfang von 30 Zeilen plus Klickstrecke hinausgeht.

Warum rechnet er nicht damit? Weil es das zu selten gibt. Und genau dort ist die Lücke, die Blogs füllen können: sie klafft dort, wo es um interessante, ausführliche und hintergründige Beiträge geht, welche die Onlinezeitungen selten bieten. Einige Blogs sind zwar schon auf dem richtigen Kurs, aber dann mangelt es verständlicherweise an der Frequenz neuer Beiträge, denn Bloggen ist in Deutschland immer noch ein Hobby. Vielleicht ist ein Zusammenschluss die Lösung - wenn ein Autor alle vier Tage einen qualitativen Text veröffentlicht, dann braucht es eben vier oder fünf auf einmal.

Fest steht, in der deutschen Bloglandschaft ist noch viel Luft nach oben, sofern sich auf die eigenen Stärken wie Stressfreiheit, Unabhängigkeit und positiver Ziellosigkeit besonnen wird.


Further hearing: Deutschlandfunk - Hintergrund zum Thema Netzmedien und Bürgerjournalismus (mp3, 18:09 Minuten, 8 Mb)
Further reading: Stefan Niggemeier in der FAZ über Journalismus und die Medienwelt im Internet

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